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Freitag, 26. September 2014

Die Macht der Phantasie - Teil 3

Hm… irgendwie hab ich momentan nichts zu erzählen… Was heißt momentan - schon seit Monaten geht das so.

Vielen Dank an alle, die dennoch jeden neuen Post auf meinem Blog lesen. Ich freu mich wirklich über jeden Besuch.


Kapitel III – Sein oder Schein


„Was willst du hier?“, fuhr die Alte sie an. „Mach dass du weg kommst, ich hab selbst nicht genug, als dass ich Almosen verteilen könnte. Scher dich fort!“
Dazu fuchtelte sie mit ihrer schmutzigen Hand vor Gwens Gesicht herum.
„Ach Margowa, jetzt beruhigt Euch“, mischte sich Jacques beschwichtigend ein, als Gwendolin erschrocken zurückwich. „Habt Ihr denn keine Augen im Kopf? Seht Euch die junge Lady doch mal genauer an!“
Die Alte schien recht kurzsichtig zu sein, denn sie kniff die Augen zusammen und trat sehr nah an die junge Frau heran. Ihre lange Nase berührte fast die der anderen. Schließlich griff die Alte nach Gwens Kinn und betrachtete sich das junge Gesicht sehr gründlich von allen Seiten.

„Hübsch“, meinte sie dann und sah den Fuchs an. „Aber nichts besonderes. Ich habe schon viele hübsche Dinger gesehen. Das rechtfertigt noch lange nicht, dass ich ihr auch Almosen gebe. Warum hast du sie zu mir geführt, hm?“
Jacques seufzte, ließ sich bequem auf seine Hinterläufe nieder und legte geziert seinen buschigen Schwanz um seine Pfoten. „Du kapierst aber auch gar nichts, oder?“, fragte er dann. „WEN hat Lord Lyran gesucht? WEM hat er eine Botschaft überbringen lassen? Na? Ist der Groschen gefallen?“

Die trüben Augen der Alten wurden vor Erstaunen größer. „DAS ist sie?“, fragte sie verwundert und sah erneut zu Gwendolin, der diese Musterung recht peinlich und auch unangenehm war. Wo war sie hier nur gelandet? Und vor allem... wovon sprachen die beiden da gerade?
„Nun ja“, sprach Margowa weiter. „Ich hätte sie mir etwas... öhm... majestätischer vorgestellt. Oder zumindest nicht so verschüchtert. Na das bekommen wir schon hin. Fürs erste kommt einfach mal rein in die gute Stube.“
Sie griff Gwens Hand und zog sie mit sich in die Bretterhütte. Die junge Frau war viel zu verblüfft, um sich gegen den Griff zu wehren und selbst wenn sie es versucht hätte, wäre es ihr vermutlich nicht gelungen sich zu befreien. Die knochendürren Finger der Alten lagen wie ein Schraubstock um ihr Handgelenk.

Im Inneren des Häuschens wartete die nächste Überraschung auf Gwen. Sie hatte mit einem ärmliches Zimmerchen gerechnet, einem schiefen Tisch, einem Hocker und bestenfalls einem Sack Stroh in der Ecke als Bettersatz, aber gewiss nicht DAMIT!

Kaum hatte sie einen Fuß über die Schwelle gesetzt, da änderte sich das Bild vor ihren Augen. Der schmutzige Fußboden aus gestampftem Lehm wandelte sich in glänzenden Marmor, der mit kostbaren Teppichen bedeckt war, Wände und Decke begannen zu wachsen und sich auszudehnen und statt des kleinen, nur notdürftig mit Pergament bespannten Fensterchens, gab es nun gewaltige Fenster aus buntem Glas, deren volle Schönheit erst bei Sonnenschein richtig zur Geltung kommen würde. Schöne Bilder in schweren Goldrahmen hingen an den Wänden und  die Deckenränder waren mit feinen Stuckarbeiten verziert.

Gwendolin kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie war so von ihrer Umgebung fasziniert, dass sie gar nicht mehr auf die Alte geachtet hatte, bis diese sie ansprach.
„Überrascht?
Gwen wandte den Kopf und fuhr erneut zusammen. Vor ihr stand nicht mehr die alte Hexe, welche sie an der Tür so schroff behandelt hatte, sondern eine wunderschöne Frau mit langen, rotgoldenen Haaren und einem freundlichen Gesichtsausdruck.
„Daran musst du dich gewöhnen, es ist hier nicht alles so, wie es dir vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag.“
„Aber... wie ist das möglich? Wo bin ich hier überhaupt? Was mache ich hier und... WER seid ihr?“
Margowa runzelte die Stirn und sah zu Jacques, der ihnen gefolgt war. „Sie weiß nicht wer sie ist? Hast du ihr denn überhaupt nichts erzählt, du dummer kleiner Fuchs?“
„Das ist nicht meine Schuld“, verteidigte sich Jacques. „Lord Lyran hat extra darauf hingewiesen, dass er ihr alles selbst erklären will. Außerdem... WANN hätte ich es ihr denn sagen sollen? Sie hat ja die ganze Zeit über geschlafen.“
Der Blick, den er Gwen zuwarf, hatte fast etwas Anklagendes an sich.
„Ich habe NICHT geschlafen“, versuchte Gwen sich zu rechtfertigen. „Ich bin gestolpert und hab das Bewusstsein verloren und dann... dann war ich hier.“
„Also gut“, seufzte Margowa. „Wenn der Herr es so wünscht... Tut mir leid, dann darf ich deine Fragen nicht beantworten“, sagte sie nun zu Gwen. „Aber soviel kann ich dir verraten, du bist hier nicht in Gefahr. Komm, du hast doch bestimmt Hunger und bist müde.“

Hunger! Bei dem Wort meldete sich Gwendolins Magen, was ihr erneut recht peinlich war und sie nickte verlegen. „Ja, eigentlich schon.“
Die schöne Frau vor ihr lächelte und führte sie in ein geräumiges Zimmer. Ein prächtiges Himmelbett, wie Gwen es nur aus Märchen kannte, nahm eine komplette Wand ein. Direkt unter dem Fenster standen ein Tischen mit grazil geschwungenen Beinen und ein dazu passender Stuhl. Darauf stand bereits ein Teller mit dampfender Suppe, daneben ein weiterer Teller mit kaltem Braten, Brot und einem Stück Käse, sowie ein Krug und ein Glas aus geschliffenem Kristall. Schwere Vorhänge aus rotem Brokat rahmten das Fenster ein. An der letzten freien Wand stand ein gewaltiger Eichenschrank mit verspielter Schnitzerei. Die Tür daneben entdeckte Gwen erst bei genauerem Hinsehen.

„Das Badezimmer“, erklärte Margowa, die Gwens Blick bemerkt hatte. „Es schickt sich einfach nicht, die Waschschüssel offen ins Zimmer zu stellen. Ich werde dich jetzt alleine lassen. Solltest du etwas brauchen, dann läute nur.“ Sie deutete auf eine Klingelschnur neben dem Bett. „Man wird dir dann alles Nötige bringen. Gewänder und was du sonst noch brauchst findest du im Schrank. So und jetzt wünsch ich dir eine gute Nacht.“

Mit diesen Worten ließ sie Gwendolin alleine, die nicht so recht wusste, ob sie jetzt lachen oder weinen sollte. Wie oft hatte sie sich eine solche Szene vorgestellt? Dieses Zimmer war fast aufs Detail so, wie sie es schon hundert Mal beschrieben hatte. Ein paar Kleinigkeiten waren anders, so fehlte zum Beispiel der dicke Teppich vor dem Bett...

Gwendolin stieß ein überraschtes Keuchen aus, als sie ihren Blick zum Bett wandern ließ. Sie war sich ganz sicher, dass zuvor KEIN flauschiger weißer Teppich dort gelegen hatte.
„Also gut“, sagte sie leise zu sich selbst und ließ sich auf den Stuhl sinken. „Es gibt zwei Möglichkeiten – entweder ich hab ihn zuvor schlicht und ergreifend übersehen... oder ich dreh langsam durch. Oder – dritte Möglichkeit – ich träume das alles doch.“

*

„Tust du nicht“, murmelte die schwarzgekleidete Gestalt, die immer noch gebannt in die Kristallkugel blickte. „Aber das wirst du noch schneller herausbekommen, als dir lieb ist.“
Sie beobachtete, wie Gwen sich hungrig über ihre Suppe hermachte, den Rest aber stehen ließ und sich stattdessen zu Bett begab.
Die junge Frau musste wirklich müde sein, denn kaum hatte ihr Kopf das Kissen berührt, da war sie auch schon eingeschlafen. Sie hatte es nicht einmal mehr geschafft, sich umzukleiden.
Kopfschüttelnd wandte sich die Gestalt von dem Kristall ab und trat ans Fenster.
„Ragnheidur!“
Auf diesen halblauten Ruf hin begann es vor dem Fenster zu flattern und ein großer Rabe erschien auf dem Fensterbrett.
Sanft strich die Gestalt dem Vogel über das pechschwarze Federkleid und kraulte das Tier schließlich mit einem Finger am Kopf.
„Ich habe einen Auftrag für dich, treuer Freund...

*

An einem anderen Ort, nicht weit entfernt...

Zusammengekauert hockte er auf dem feuchten Stroh, die Hände unbequem nach oben gereckt. Wie lange war er nun schon hier? Er wusste es nicht. War Tag oder Nacht? Sommer oder Winter? Hier unten war alles gleich. Es gab kein Licht, keine Wärme, keine Hoffnung...
Halt! Hoffnung war das einzige, was ihm noch geblieben war und diese wollte er verteidigen bis zum Schluss. Wenn sie ihm doch nur wenigstens die Ketten abnehmen würden. Seine Handgelenke waren schon ganz wundgescheuert. Er konnte sich nicht einmal gegen die Ratten wehren, von denen es hier nur so wimmelte.
Da! Da war schon wieder eine. Er trat mit dem Fuß nach ihr und wurde mit einem empörten Quieken belohnt, als das Tier sich aus dem Staub machte.
Hoffentlich kam bald mal wieder jemand und brachte ihm etwas zu essen. Oder hatte er sich jetzt doch dazu entschlossen, ihn verhungern zu lassen?

*

„Aufwachen, Schlafmütze!“
Eine wohlbekannte Stimme riss Gwendolin aus ihren Träumen.
„Jacques, bitte, noch fünf Minuten“, murmelte sie. Sie wollte ihre Augen noch nicht öffnen, wollte zurück in ihren Traum. Er war so schön gewesen, so... Komisch, auf einmal konnte sie sich nicht mehr an ihn erinnern. Sie wusste nur noch, dass sie sich wohl gefühlt hatte, geborgen und beschützt.
„Nichts da. Du hast lange genug geschlafen.“
Mit einem Hopser landete der kleine Fuchs auf dem Bett und sah Gwen prüfend an.
„Stehst du freiwillig auf oder muss ich nachhelfen?“, fragte er und sie hätte schwören können, dass ein schelmischer Ausdruck auf dem spitzen Gesicht lag.
„Nein, nein... ich steh ja schon auf“, wehrte die junge Frau ab. Das fehlte ihr grade noch, dass ein FUCHS ihr beim Aufstehen half. Sie hatte so das Gefühl, dass diese ‚Hilfe’ aus einer nassen, rauen Zunge bestehen würde und diesmal bestimmt nicht nur an ihrer Hand.
„Geh mal runter“, bat sie Jacques. „Sonst könnte es passieren, dass du einen schmerzhaften Abgang machst.“
„Wie bitte?“ Verständnislos sah das Tier sie an.
„Wenn ich jetzt aufstehe und du bist noch hier oben, fällst du auf die Nase“, erklärte Gwen ihren Ausspruch. „Und das willst du doch nicht, oder?“
„Nicht unbedingt“, stimmte Jacques ihr zu und hüpfte vom Bett. „Sag mal... macht man das bei euch so, dass man im KLEID schläft?“, fragte er dann und rümpfte leicht die Nase. „Bei uns zieht man sich ein Nachthemd an... also als Mensch mein ich.“
„Bei uns auch, ich war nur zu müde“, gähnte Gwen, grinste dann und musterte den Fuchs übertrieben. „Wobei... DIR dürfte ein Nachthemd bestimmt auch gut stehen...“
„Lass das!“, ärgerte sich Jacques und schlich zur Tür. „Beeil dich mal lieber. Kleider findest du im Schrank. Mach dich frisch, zieh dich um und iss was, wir gehen nachher zu Lord Lyran.“
Damit war der kleine Fuchs auch schon wieder verschwunden.
Gwen streckte sich und trat dann ans Fenster, blickte gedankenverloren hinaus. Lyran... ER würde also etwas Licht in die ganze Angelegenheit bringen... und hoffentlich einen Weg zurück in ihre Welt wissen.
Auf dem Tischchen waren die Teller von letzter Nacht verschwunden und hatten einem Frühstück Platz gemacht, wie sie es sich normalerweise nur sonntags gönnte: Kleine, weiche Brötchen, Honig, ein Krug Milch, frisches Obst, ein Schüsselchen warme Hafergrütze und noch einige Dinge mehr.
Gwen nahm sich eines der kleinen Rosinenbrötchen und biss hinein, stutzte dann aber, als sie unter dem Milchkrug etwas Weißes hervorblitzen sah. Es war ein kleiner Umschlag, mit rotem Wachs versiegelt. Was konnte das sein? Es stand kein Name darauf und so brach Gwen das Siegel und öffnete das Kuvert.

 © Petra Staufer
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Sorry, dass ich das dazuschreiben muss, aber es kam schon vor.